Verursacht zu hohe Vitamin B12-Zufuhr Krebs? Diese Frage wurde mir vor kurzem in einem Seminar gestellt. Die kurze Antwort: Die Beweislage ist uneinheitlich. Das Thema ist komplex und es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um den Zusammenhang vollständig zu verstehen.
Zusammenfassend:
- Gemäß Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist derzeit nicht klar, ob eine hohe Zufuhr von Vitamin B12 das Risiko für Krebserkrankungen erhöhen oder erniedrigen kann.
- Eine B12-Überdosierung kann mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden sein. Betonung auf Überdosierung und auf kann.
- Die Kausalität könnte aber auch andersherum sein: Krebszellen erhöhen den B12-Spiegel.
- Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Vitamin B12 nicht vor Krebs schützt und das Risiko für bestimmte Krebsarten, wie beispielsweise Lungenkrebs, insbesondere bei männlichen Rauchern, erhöhen kann.
- Einen Einfluss auf Brustkrebs scheint B12 nicht zu haben.
Ein Mangel an Vitamin B12 ist bei Deutschen nicht selten. Jeder Zehnte hat zu wenig Vitamin B12 im Blut. Im Alter von über 65 Jahren ist sogar jeder Vierte betroffen. Fehlt Vitamin B12, kommt es zu Nervenschäden und Symptomen wie Müdigkeit und Blutarmut. Vitamin B12-Mangel sollte unbedingt vermieden bzw. ausgeglichen werden. Hier ein aktueller Überblick (Stand: Mai 2025) zum Thema:
Vitamin B12 wichtig für Nerven, Stoffwechsel, Blut
Vitamin B12, auch bekannt als Cobalamin, ist ein wasserlösliches Vitamin. Es ist essenziell für den Energiestoffwechsel, die Bildung von Blutzellen und den Aufbau von Nervenhüllen. Der menschliche Körper kann dieses Vitamin nicht selbst produzieren. Es ist vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten reichlich vorhanden, da Tierfutter mit diesem Vitamin angereichert wird. Magensäure und Verdauungsenzyme setzen Vitamin B12 dann im menschlichen Körper frei. Ein spezielles Protein, der „Intrinsic Factor“, transportiert es zu den Zellen des Dünndarms, von wo aus es über das Blut zu allen Zellen, auch unseren Nervenzellen gelangt.
Symptome für Vitamin B12 Mangel
Unsere Leber ist ein großer Vitamin-B12-Speicher. Ein Vitamin B12-Mangel fällt in der Regel erst Jahre nach dem Beginn einer Unterversorgung auf. Auch sind die Symptome sind nicht immer leicht zu diagnostizieren. Zu Symptomen eines Vitamin B12-Mangels gehören:
- Blutarmut
- Sensibilitätsstörungen bis hin zu Lähmungen
- Kribbeln in Armen, Beinen, Füßen oder eine „brennende“ Zunge
- Gangunsicherheit
- Muskelschwäche
- Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit
- Depression
- Haarausfall
Ursachen: Wie kommt es zu Vitamin-B12-Mangel?
Häufige Ursachen für einen Mangel an Vitamin B12 sind:
- Mangel des Proteins Intrinsic Factor
- chronische Entzündung von Magen oder Darm
- Medikamenteneinnahme (z.B. gegen Diabetes oder PPIs)
- regelmäßiger Alkoholkonsum
- vegetarische/vegane Ernährung
- Altersbedingt sinkende Leistungsfähigkeit des Magen-Darm-Traktes, Vitamine aufzunehmen
B12-Supplementierung erst nach Messung des Blutwertes
Der im Körper vorhandene Vitamin B12-Level wird am sichersten mit der Verbindung Holotranscobalamin (Holo-TC) im Blut bestimmt. Holo-TC gilt als Frühmarker und zeigt den Status des tatsächlich aktiven Vitamins an, denn nur das Vitamin B12, das an das Transportprotein Transcobalamin gebunden ist, kann von unseren Zellen aufgenommen werden. Unspezifischer ist hingegen eine Messung des gesamten B12-Serumspiegels.
Grundsätzlich gilt: B12-Supplemente (wie auch alle anderen Supplemente!) sollten erst nach dieser Messung und entsprechender Diagnose als Ergänzung zur Ernährung eingenommen werden.
Schützt Vitamin B12 vor Krebs?
Aktuelle Forschungsergebnisse stützen die Annahme nicht, dass Vitamin B12 vor Krebs schützt. Tatsächlich scheint es wahrscheinlich, dass ein hoher Vitamin-B12-Spiegel, sei es durch die Ernährung oder durch Nahrungsergänzungsmittel, mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebsarten, wie Lungen- und Prostatakrebs, verbunden sein könnte. Studien haben beispielsweise gezeigt, dass ein höherer Vitamin-B12-Spiegel im Blut mit einem höheren Lungenkrebsrisiko verbunden ist, insbesondere bei Männern und Rauchern. Bei Brustkrebs deuten die Beweise jedoch eher auf keinen signifikanten Zusammenhang hin, was bedeutet, dass das Risiko insgesamt weder erhöht noch verringert wird.
Aktuelle wissenschaftliche Literatur zu Vitamin B12 und Zusammenhang mit dem Krebsrisiko:
-> In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2024, die dem Deutschen Krebsforschungszentrum derzeit nur als Abstrakt vorliegt, wird erläutert, dass erhöhte Vitamin B12-Werte von mehr als 1.000 pg/L – wenn sie anhaltend sind – abgeklärt werden sollten. In klinischen Beobachtungsstudien wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen erhöhten Vitamin B12-Werten und einem Krebs- und Sterberisiko vermutet. Allerdings handelte es sich bei diesen Studien um rückblickende (retrospektive) Kohortenstudien, bei denen kein Schwellenwert für den Vitamin B12-Spiegel definiert wurde. Einige Studien deuten auf eine positive Korrelation zwischen erhöhten Vitamin B12-Spiegeln und dem Auftreten von Lungen-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs sowie bestimmten hämatologischen Krebserkrankungen hin. Ebenso gibt es auch Studien, die einen verringernden Einfluss z.B. für Brustkrebs beobachtet haben. Die diagnostische Bedeutung erhöhter Vitamin B12-Werte bei Patienten, bei denen bereits Krebs diagnostiziert wurde, bleibt ungewiss (Quelle: Amado-Garzon SB et al. 2024. Elevated Vitamin B12, Risk of Cancer, and Mortality: A Systematic Review. Cancer Invest. 2024 Jul;42(6):515-526. doi: 10.1080/07357907.2024.2366907. PMID: 38953509) .
-> Aus einer aktuellen Studie (2025) aus Vietnam gibt es keine schlüssigen Beweise für die Rolle der Vitamin-B12-Aufnahme über die Nahrung bei Krebs. Es wurde der Zusammenhang zwischen der Vitamin-B12-Aufnahme und dem Krebsrisiko in einer Fall-Kontroll-Studie in einem Krankenhaus untersucht. Diese Untersuchung umfasst 3.758 Krebsfälle und fast 3.000 Kontrollpersonen. Die Vitamin-B12-Aufnahme wurde anhand des validierten Fragebogens zur Häufigkeit der Nahrungsaufnahme ermittelt. Mit Hilfe eines mathematischen Modells wurde der Zusammenhang zwischen Vitamin B12 und dem Krebsrisiko berechnet. Personen mit einer Aufnahme, die unter dem Medianwert lag, hatten ein um 6 % (OR = 1,06, 95% CI: 0,86-1,31) bis 107 % (OR = 2,07, 95% CI: 1,58-2,71) erhöhtes Krebsrisiko (P trend<0. 001), während diejenigen mit einer über dem Median liegenden Zufuhr ein um 20 % (OR = 1,20, 95 % CI: 0,97-1,48) bis 52 % (OR = 1,52, 95 % CI: 1,22-1,89) erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen (P trend<0,04). Das erhöhte Krebsrisiko bei niedriger Vitamin-B12-Zufuhr wurde bei Patienten mit Speiseröhren-, Lungen- und Brustkrebs beobachtet, bei hoher Vitamin-B12-Zufuhr dagegen bei Patienten mit Magenkrebs. Zusammenfassend lässt sich für die Untersuchung sagen, dass hier ein U-förmiger Zusammenhang zwischen der Vitamin-B12-Zufuhr und einem erhöhten Krebsrisiko beobachtet wurde (Quelle: Le NT et al. 2025. Vitamin B12 Intake and Cancer Risk: Findings from a Case-Control Study in Vietnam. Nutr Cancer. 2025;77(2):252-264. doi: 10.1080/01635581.2024.2415143. PMID: 39397378) .
-> Eine 2022 veröffentlichte Übersichtsarbeit mit dem Titel „High Plasma Vitamin B12 and Cancer in Human Studies: A Scoping Review to Judge Causality and Alternative Explanations“ analysierte Studien am Menschen aus den Jahren 2005 bis 2022 und fand keine ausreichenden Belege für einen kausalen Zusammenhang zwischen hohen Vitamin-B12-Spiegeln und Krebs. Es wurde jedoch festgestellt, dass ein genetisch bedingter hoher Vitamin-B12-Spiegel im Plasma wahrscheinlich mit Krebs in Verbindung steht, was auf einen möglichen Zusammenhang hindeutet, der weiter untersucht werden muss. Die Übersicht hob auch hervor, dass niedrige Vitamin-B12-Spiegel bei Krebspatienten häufig vorkommen und eine B12-Supplementierung erforderlich machen, um hämatologische und neurologische Probleme zu verhindern. Dies deutet jedoch nicht auf eine schützende Wirkung gegen die Entstehung von Krebs hindeutet.
-> Bei Lungenkrebs weisen mehrere Studien auf ein erhöhtes Risiko bei höheren Vitamin-B12-Spiegeln hin. Eine Studie aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „Is high vitamin B12 status a cause of lung cancer? stellte fest, dass eine höhere Vitamin-B12-Zufuhr über die Nahrung mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko verbunden war, insbesondere bei Männern und Adenokarzinom.
-> Für Prostatakrebs fasste eine systematische Übersicht aus dem Jahr 2024 mit dem Titel „Elevated Vitamin B12, Risk of Cancer, and Mortality: A Systematic Review“ die Erkenntnisse zusammen, die auf einen Zusammenhang zwischen erhöhtem B12-Spiegel und einem höheren Krebsrisiko hindeuten. Eine in der vorherigen Diskussion zitierte Metaanalyse fand einen positiven Zusammenhang zwischen zirkulierendem Vitamin B12 und dem Prostatakrebsrisiko, wies jedoch auf eine mögliche umgekehrte Kausalität hin, bei der Krebs den B12-Spiegel erhöhen könnte und nicht umgekehrt.
-> Bei Brustkrebs ergab eine Studie aus dem Jahr 1999 mit dem Titel „Vitamin B12 deficiency: a new risk factor for breast cancer?“, dass B-Vitamine, einschließlich B12, das Risiko für Brustkrebs kaum oder gar nicht senken, wobei bei prämenopausalen Frauen ein positiver Zusammenhang mit Folsäure festgestellt wurde, jedoch nicht speziell mit B12.
-> Für Magenkrebs ergab eine Metaanalyse aus dem Jahr 2022 mit dem Titel „Association between Vitamin B12 and Risk of Gastric Cancer: A Systematic Review and Meta-Analysis of Epidemiological Studies“ keine signifikante Gesamtassoziation, stellte jedoch fest, dass eine hohe B12-Zufuhr das Risiko bei Helicobacter pylori-negativen Personen senken könnte und das Risiko in Hp-positiven Populationen erhöhen könnte. Dabei war ein übermäßiger B12-Spiegel mit einem höheren Risiko für Magenkrebs außerhalb der Kardia verbunden war.
-> Eine Studie aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Folsäure- und Vitamin-B12-Supplementierung und das Krebsrisiko: Langzeit-Follow-up der B-Vitamine zur Prävention osteoporotischer Frakturen“, deutete darauf hin, dass die Einnahme von Folsäure und Vitamin B12 das Darmkrebsrisiko erhöhen könnte, wobei jedoch weitere Untersuchungen erforderlich sind.
-> Eine systematische Übersicht aus dem Jahr 2023 mit dem Titel „Sicherheit und Wirksamkeit von Vitamin B in der Krebsbehandlung: Eine systematische Übersicht“ kam zu dem Schluss, dass die Daten zu B-Vitaminen, einschließlich B12, gemischt sind und hinsichtlich ihrer Sicherheit und Wirksamkeit im Zusammenhang mit Krebs variieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer ausgewogenen Zufuhr, da eine übermäßige Supplementierung möglicherweise keine Vorteile bietet und insbesondere für Raucher oder Personen mit bestimmten genetischen Veranlagungen Risiken bergen könnte.
Einen Verweis auf weitere Studien finden Sie am Ende dieses Blogbeitrags.
Quelle von Vitamin B12 und Risiko
Die Quelle von Vitamin B12 – Ernährung oder Nahrungsergänzungsmittel – scheint die Ergebnisse zu beeinflussen. Studien wie die Lungenkohortenstudie stellten sowohl bei der Aufnahme über die Nahrung als auch bei Nahrungsergänzungsmitteln ein erhöhtes Risiko fest, insbesondere bei Männern. So zeigte beispielsweise die Ernährungsstudie aus dem Jahr 2021 ein höheres Risiko bei erhöhter Zufuhr, während die Studie aus dem Jahr 2019 zu Nahrungsergänzungsmitteln ein um 30 – 40 % erhöhtes Risiko für Lungenkrebs bei Männern mit hohen Dosen von Vitamin B6 und B12 aus Einzelpräparaten, nicht aus Multivitaminpräparaten, ergab. Dies deutet darauf hin, dass Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere in hohen Dosen, ein größeres Risiko darstellen könnten als Nahrungsquellen, obwohl beide zu erhöhten Spiegeln im Blut beitragen können.
Ein hoher Vitamin-B12-Spiegel im Blutserum wird allgemein als Wert über etwa 950 Picogramm pro Milliliter (pg/mL) betrachtet, wobei dies je nach Labor leicht variieren kann. Einige Quellen bezeichnen Werte über 800 pg/mL als erhöht. In Studien, die ein erhöhtes Krebsrisiko mit hohen B12-Spiegeln in Verbindung bringen, wurden oft Werte über 1000 pg/ml untersucht.
Fazit
Der Zusammenhang zwischen Vitamin B12 und Krebs ist komplex, mit widersprüchlichen Ergebnissen für verschiedene Krebsarten und Bevölkerungsgruppen. Während beispielsweise Studien zu Lungen- und Prostatakrebs ein erhöhtes Risiko zeigen, sind die Ergebnisse zu Brustkrebs weniger eindeutig: Einige Studien deuten auf keine Wirkung hin, andere auf mögliche Wechselwirkungen mit Alkohol oder dem Folatstatus. Diese Kontroverse zeigt sich auch in Studien wie der systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2024, die zwar starke Zusammenhänge feststellte, aber weitere Langzeitstudien forderte, um den Kausalzusammenhang zu klären.
Die bisherige Evidenz bestätigt Vitamin B12 nicht als Schutzfaktor gegen Krebs. Stattdessen deutet sie darauf hin, dass hohe Werte, sei es aus der Ernährung oder aus Supplementen, das Risiko für bestimmte Krebsarten wie Lungen- und Prostatakrebs erhöhen können, während keine eindeutige Schutzwirkung bei Brustkrebs festgestellt wurde. Die Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022 betonte das Fehlen eines Kausalzusammenhangs und wies darauf hin, dass ein erhöhter B12-Spiegel eher ein Marker für eine zugrunde liegende Krebserkrankung als eine Ursache sein könnte, ein Phänomen, das als umgekehrte Kausalität bekannt ist.
Die Beziehung ist nuanciert, mit möglichen Wechselwirkungen je nach Krebsart, Population und B12-Quelle. Angesichts der Komplexität sind weitere Untersuchungen unerlässlich, insbesondere Langzeitstudien, um einen Kausalzusammenhang herzustellen.
Meine Bewertung zum Thema Vitamin B12 aus der aktuellen Studienlage:
Die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Vitamin B12-Spiegels ist für die allgemeine Gesundheit von hoher Bedeutung. Von einer übermäßigen Einnahme (Messung des Blutwertes Holo TC), insbesondere über Nahrungsergänzungsmittel, ist abzuraten.
Weitere Studien:
Krebsart (Jahr) | Ergebnis | Quelle |
---|---|---|
Lungenkrebs (2019) | Höhere zirkulierende B12-Werte verbunden mit erhöhtem Risiko (ORlog2B12 = 1,15) | Lungenkrebs und Vitamin B12 Studie |
Lungenkrebs (2021) | Höhere diätetische B12-Aufnahme mit erhöhtem Risiko verbunden (HR höchste Quintile = 1,18) Erhöhtes B12 verbunden mit höherem Risiko (Risikoverhältnisse 1,88–5,9) | Diätetisches Vitamin B12 und Lungenkrebs |
Prostatakrebs (2024) | Erhöhtes B12 verbunden mit höherem Risiko (Risikoverhältnisse 1,88–5,9) | Erhöhtes Vitamin B12 und Krebsrisiko-Überprüfung |
Brustkrebs (2017) | Keine signifikante Assoziation insgesamt, marginal positiv in Untergruppen | EPIC Kohorten-Brustkrebsstudie |
Magenkrebs (2022) | Keine Gesamtzusammenhang, gemischte Effekte je nach Hp-Status | Vitamin B12 und Magenkrebs Meta-Analyse |
Dickdarmkrebs (2018) | Supplementierung könnte das Risiko erhöhen, Bestätigung erforderlich | Folsäure und B12 Supplementierung und Krebsrisiko |
Autorin: Dr. Martina Klug
